Journalisten – wir müssen reden. Leider. So geht das nicht weiter…

Liebe Journalisten,

wir müssen reden. Ernsthaft. Wobei – ich rede, und ihr dürft das lesen. Und gerne darauf antworten. In den Kommentaren ist viel Platz.

Der wöchentliche Pressespiegel, den ich jede Woche Dienstag morgens erhalte. Mit dem, was ihr so in der letzten Woche in euren gedruckten Medien so geschrieben habt. Und was ich da so lese, das entsetzt mich regelmäßig. Ok, entsetzt ist ein starkes Wort, da hast Du recht. Oft ärgert es mich nur. Oder ich schüttel einfach den Kopf. Doch in letzter Zeit nimmt das zu. Und ich frage mich:

Schreiben eigentlich nur noch Praktikanten eure Tageszeitungen? Also die überregionalen? Egal ob SZ, FAZ oder Die Welt – in allen Blättern verhagelte es mir letzte Woche die Laune.

Warum? Ich zeige ich euch mal, was mich so ärgert:

Die SZ am 05.06.2014 auf Seite 24:

Überschrift in der SZ
Überschrift in der SZ (und nein, im gesamten Artikel geht es nicht um Krankenkassen)

„Krankenkassen“… und dann von privaten Krankenversicherungen schreiben. Liebe Journalisten – Krankenkassen ist ein feststehender Begriff für GESETZLICHE Träger der Krankenversicherung. Kennt ihr also AOK, Barmer GEK, mhplus, um nur mal einige zu nennen. Private Krankenversicherer sind Krankenversicherer. Keine „Kassen“. Ihr schreibt doch auch nicht „Zug“, wenn ihr Busse meint, oder? Aber ok, das ist eher noch zu der Gattung Kleinigkeit hinzuzurechnen. Oder besser: Schlamperei. Aber letztendlich ohne Folgen.

Auch eher in diese Kategorie würde ich den lesbar gelassenen Teil in der FAZ vom 05.06.2014 (Seite 13) einordnen:

Die FAZ wirft Dinge durcheinander...
Die FAZ wirft Dinge durcheinander…

Passiert auch nicht viel, außer dass uns die Kunden verrückt machen, weil sie es lesen und nicht erkennen, dass die beiden Punkte in dem Absatz, der in der Mitte der ersten Spalte steht und sich bis zur zweiten Spalte erstreckt, gar nicht zueinander gehören. Ja, der (übrigens „Höchst-„) Rechnungszins soll gesenkt werden (für Neuverträge). Ja, die Regelungen für Bewertungsreserven sollen geändert werden. Beides aus dem oberen Absatz ist zutreffend. Die Zusammenwürfelung im spaltenübergreifenden Absatz, dass (Höchst-) Rechnungszinssenkung nach Aussagen des GDV 62 Millionen Verträge betreffen soll, eben nicht. Also schon, was den Gesetzesentwurf insgesamt anbelangt. Aber eben nicht Rechnungszinssenkung. Das könnte man mit einem eigenen Absatz abtrennen bzw. oben in den ersten packen.

Auch hübsch, was ebenfalls die FAZ am 05.06.2014 auf Seite 17 unter anderem schreibt:

*seufz* - DAS stand da nicht im Gesetzesentwurf...
*seufz* – DAS stand da nicht im Gesetzesentwurf…

Ja, die Abschlusskosten in der Lebensversicherung (die nicht nur aus Provisionen bestehen, sondern unter anderem auch aus meinem Gehalt, der ich die Anträge prüfe/bearbeite als Antrags-/Risikoprüfer) erscheinen hoch. Die Provisionen könnten übrigens gerne durchaus niedriger sein, das gebe ich zu. Wenn derjenige, der nach einer mehrstündigen Beratung durch einen Vermittler doch keinen Vertrag abschließt, dann den Zeitaufwand des Vermittlers bezahlt.

Aber worauf ich hier hinaus will: Die Abschlusskosten sollen gar nicht direkt durch das LVRG eingeschränkt werden. Nur der bilanzielle Ausweis…

Aber die Krönung, das habt ihr euch bei der „Die Welt“ geleistet (05.06.2014, Seite 13). Frage mich, ob euch klar ist, was ihr bei euren Lesern mit Artikeln mit so einem Inhalt ausrichtet:

OMG... Staatsbürgerkunde: 6, setzen.
OMG… Staatsbürgerkunde: 6, setzen.

Ist euch klar, wie viele Kunden anschließend bei Versicherern anrufen und uns erklären „Ich hab das in der Zeitung gelesen, das stimmt also“? Ich erkläre euch jetzt mal was:

Gesetze werden in der Regel von Mitarbeitern in Ministerien vorbereitet (ja, ich mag jetzt auch nicht über die eine oder andere Ausnahme reden; alternativ: aus der Mitte des Bundestags oder aus dem Bundesrat, nur um das zu vervollständigen). Und dann vom Bundeskabinett in den Bundestag eingebracht. Das Bundeskabinett, das besteht aus der Bundeskanzlerin (ja, derzeit) und den Ministern. Man kann es auch Regierung nennen. Andere bezeichnen sie auch als „Exekutive“. Und da liegt der Knackpunkt zu diesem, sorry, unterirdischen Artikel. Gesetzgeber, das ist auch weiterhin der Bundestag, damit auch Legislative genannt. Der steht, liebe Artikelverfasser, tatsächlich noch zwischen dem Kabinett und dem Bundespräsidenten (ja, der „muss“ ein Gesetz tatsächlich unterzeichnen, damit es in Kraft treten kann – zu dem „muss“ wurde in den letzten Jahren übrigens viel diskutiert). Sonderlich weit war dieses „Gesetz“ also noch nicht, wenn das Kabinett es „verabschiedet“ hat. Verabschieden tun die dort wohl übrigens eher Kollegen/Kolleginnen in den Urlaub oder bei Ausscheiden.


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Wie ein Gesetz zustande kommt, steht übrigens hier.

Also – können wir uns eventuell darauf einigen, dass Artikel vor der Veröffentlichung nochmals gegen gelesen werden? Von irgendjemanden, der/die in Gemeinschaftskunde/Staatsbürgerkunde oder wie auch immer heute so ein Fach heißt, aufgepasst hat? Fände ich prima. Meine Kollegen bestimmt auch. Und euch würde es nicht schaden…

Nichts für ungut – ich mag Journalisten. Gerne sogar. Aber ein wenig mehr Sorgfalt wäre toll und würde anderen Menschen das Leben erleichtern. Einverstanden? Danke. Und natürlich gilt diese Pauschalschelte nicht für alle Journalisten. Nur für die, die sowas verzapfen.

Und wer immer das liest – was für einen Eindruck habt ihr? Unabhängig von diesem speziellen Thema. Habt ihr auch den Eindruck, dass die Qualität in den „klassischen Medien“ nachlässt (nein, ich sage damit nicht, dass Onlinemedien besser sind, nee, nee!)?

Nachdem ich nun doch länger als geplant gebraucht habe, bis das fertig geschrieben habe, kam schon ein neuer Medienspiegel und dort – diesmal die FAS (15.06.2014, S. 29):

Vermittler sind also alles Makler...
Alles Makler oder was…?

Makler wie der Sven Hennig oder Matthias Helberg werden sich freuen. Schließlich kennt die FAS nur Makler. Meinen tut sie wohl Versicherungsvermittler – als Überbegriff für Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die Unterschiede (übrigens auch, was ein Versicherungsberater als weiterer Begriff ist), lässt sich in wenigen Worten im Gesetz (VVG= Versicherungsvertragsgesetz) nachlesen.

So, das soll es gewesen sein – es bleibt mir nur die Bitte auszusprechen, dass wieder sorgfältiger in den klassischen Medien gearbeitet wird.

Mitschuld an dem Artikel ist übrigens indirekt Tobias Schwarz aka der Isarmatrose. Denn der hatte auf dem WordCamp in Hamburg in einer Session einiges zur Positionierung erzählt. Danke für den Anstoss.

Kurzer Disclaimer noch: Alles, was ich blogge, ist meine eigene Meinung und hat nichts mit der meines Arbeitgebers zu tun. Die kann auch vollkommen konträr sein. Oder aber zufällig mal gleich. Aber mein Blog ist mein Baby. Eigentlich lese ich gar keine Printprodukte mehr. Also gedruckte Zeitungen, um genau zu sein. Bücher immer noch, Magazine ebenso manchmal. Der Pressespiegel, der Versicherungen (Lebensversicherungen und Krankenversicherungen) betrifft und für meinen Arbeitgeber zusammen gestellt wird, ist da die Ausnahme.

Versicherungen ist ein Thema, von dem ich ein klein wenig verstehe. Gesetzgebung auch. Arbeite schließlich bei einer Versicherung. Und habe neben Betriebswirtschaft (versicherungsintern an der DVA) auch Recht studiert. Auch nur im Kleinen, einen Bachelor an der Fernuni Hagen. Aber all das hätte ich nicht gebraucht, um den Unsinn zu sehen, der derzeit veröffentlicht wird.


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Hubert Mayer
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5 Kommentare zu „Journalisten – wir müssen reden. Leider. So geht das nicht weiter…“

  1. Du bekommst hier einen Eindruck der Schmerzen, die mir etwa 90% der Artikel zu Computerthemen bereiten. Dieses Problem haben nämlich *alle*, wenn sie in Zeitungen Artikel zu Fachgebieten lesen, mit denen sie sich halbwegs auskennen.

  2. Ersetze dein Thema durch mein Lieblingsthema Steuern und du siehst, wie es mir seit Jahren geht. Und da ist es kein Unterschied, ob es die FAZ, die SZ, die StN, das Hintertupfinger Tagblatt oder die WiWo ist.

  3. Pingback: Wie glaubst Du, waren meine Blogeinnahmen im Juni 2014? Transparenz gelebt… « Hubert Mayer

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